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Mein erster A350 Flug

Der Crewbus hält an der falschen Seite. Klar, das Belly befindet sich hinten links, nicht hinten rechts, wie sonst. Über die hintere Treppe gehe ich an Bord. In der Kabine, die übliche Hektik. Die beiden Gänge liegen etwas enger zusammen, Bestuhlung 3-3-3 statt 2-4-2. Es ist ein im Vergleich zum überlangen A340-600 kurzer, dicklicher Flieger. Nicht ganz so dick wie die Presswurst, A380, sondern wohlproportioniert. Die 48er Business, 2-2-2, besteht aus zwei Compartments, ein kleineres mit 12 Sitzen, davor das 36er, getrennt von einer Galley an den 2er Türen. Ein Blick auf diese: Sie sind breiter als im A340 und ja, da ist er, der Entriegelungsknopf, direkt am Türgriff, genau wie im Türsimulator in Schwaig gelernt. Durch die vordere Galley an der 1er Tür, durch den Vorhang, links eine große Toilette, über die jetzt so viel geredet wird, rechts die Drehtür zum Crewrest. Wie lautete der Code noch gleich? Die Tür entriegelt, dahinter eine sehr steile Treppe, wie zu einem Dachboden. Ein geräumiges Crewrest, aber stehen kann man da leider nicht. Für weitere Erkundigungen ist jetzt keine Zeit und überhaupt: der PM muss das Equipment im FCRC checken.

Der erste Blick ins Cockpit. Es ist groß, wie im SIM, aber heller, viel heller. Cockpit Lighting – as required. Es ist Tag. Die Garderobe ist jetzt rechts. Die Laptop Docking Station. Zwei grüne Lichter, der Laptop läuft. Ich setze mich auf den mit Sternen gemusterten Sitz vorne links. Ganz von alleine fällt die rechte Hand auf die KCCU, der Daumen kommt auf dem Mausknopf zum Liegen, der Zeigefinger liegt auf dem Touchpad. MFD FMS Data Status ist aufgeschlagen, die Nav Database und Performance Factors stimmen, die Secondaries sind leer. Vorsichtig den Tisch ausklappen, dann links den OIT Schalter auf „Avionics“. Company Com ist schon aktiv, das Menü bekannt von meiner Zeit bei J3. Init Request. Recall All. Dispatch key. Das Logbook geht an Rainer (Name geändert), er ist heute PIC. Die HIL ist lang, aber alles Kabinen-Items. F/O Martin (Name geändert) hat das EFB Update aktiviert. Obwohl heute der Wechsel von 17.5.8 auf 17.6.6 ansteht, läuft es schnell durch. Damit haben wir eDesk und somit nach Aktivierung des Mobilfunkrouters drei Möglichkeiten die Münchner ATIS zu requesten: Über ATC COM, Company Com und über eDesk. Alle drei funktionieren. Die Take Off Performance rechnet ewig, hier muss was geschehen. Die P2 kommt, irgendwas mit dem Entertainment und der Toilettenspülung, 1LA fragt nach den Getränken, das Handy klingelt, wo die Unklarmeldung bleibt? Zum Glück nimmt uns Rainer den Outsidecheck ab. Wollte man ihn beim ersten Mal sorgsam machen, mit OM-B in der Hand die Fotos mit der Realität vergleichen, gäbe es viel Delay. Der Blick nach oben. Da ist er, der Evac Schalter mit dem Inop Label und anders als im Sim ist da kein Fuel Jettison. Auf was stellt man nochmal den Mobile Schalter? Ja, ja, die Batterie PBs fassen wir nicht an. Es gibt doch ein paar Unterschiede zum SIM. Z.B. haben wir den Brake Fan nicht, den Brussels gerne gehabt hätte und dann gibt es da so einen ominösen Button auf dem Center Pedestal, der uns vielleicht einmal den Single Pilot Cruise erlaubt. Kurz vor dem Drucker, der uns so viel Arbeit machte, der neue Accu Pressure Indicator, der den alten Tripple Indicator ablöste. Wirklich schade: Der Alte war ein mechanisches Meisterwerk, paralaxenfrei ablesbar fand er sich unverändert seit dem B4 fast 40 Jahre lang in allen Airbussen.

Der Route Uplink ist da und die viele Übung im SIM zahlt sich aus: Das neue UI mit KCCU und großen Screens, aber ohne LSKs, geht flüssig von der Hand. Der Wind Uplink erscheint auch im eDesk, aber ohne FPO ist das ziemlich sinnlos. Wir beenden die Preparation, wandern über das Glareshield aufeinander zu, treffen uns beim einzigen Flight Director Button und ich briefe den mir kaum bekannten Rollweg zur 26R und die Departure mit dem komischen Namen. Dann will ich durchatmen, doch die Gäste sind längst eingestiegen und die Single Woman für den Pushback will das Loadsheet vergleichen. Doch wo ist es? Rainer weiß es: Check mal die Inbox! Und dann Maximize, denn es passt nicht drauf. Martin will die Werte auf den OFP übernehmen, doch den gibt’s nicht mehr. Wirklich Dein erster paperless flight Martin? Ja Andreas! Kein LMC, aber schwerer als geplant. Auch das Wetter hat sich geändert, statt Sonnenschein, jetzt Wolken und böige Winde, ein Gewitter nähert sich. Wir werfen TOPAS wieder an. Bitte immer nur für eine Bahn rechnen, empfiehlt Rainer, sonst dauert es ewig. Während TOPAS rechnet, liest mir Martin die Before Start Checklist vom MFD vor. Dann requesten wir die DCL; ungewohnt über die Mailbox. Die drei bekannten Messages laufen auch dort ein, wir drucken nicht mehr, paperless. Aber komisch ist das schon, wenn man die Clearance checkt, während Clearance Confirmed noch ungelesen in der Mailbox schlummert. Jetzt die 10 CM1 Items und dann Below the Line. Unmittelbar vor Pushback wechseln, wie abgesprochen, Rainer und Martin die Plätze. Als PIC muss Rainer vorne sitzen.

Pushback beendet, bitte Bremse setzen. OEB #5, OEB #5, OEB #5 geht es mir durch den Kopf und laut sage ich, Ich setze jetzt die Bremse. Rainer und ich stoppen die 10 Sekunden und drücken beide die Fußbremse voll durch. Hoffentlich wird das bald gefixt.

Wir sind leicht, und Leerlauf mit seinen 5% Schub reicht, die A350 setzt sich in Bewegung, die AMM auf dem ND ist eine große Hilfe, eine AMM auf dem EFB soll es erst ab Juli geben.

Sie quietscht und knarrt und wirkt irgendwie billig. Joghurtbecher, kommentiert Rainer. Erst clean sei sie ein Ranger. Der Wind hält sich in Grenzen, das Gewitter ist noch weit weg. Auf dem schnurgeraden November wird die leichte 424 trotz Leerlauf immer schneller, bei 29 Knoten bremse ich sachte ab und denke an die aktuellen Diskussionen zur max Taxi Speed. Beim Flight Control Check fasse ich erstmalig den Stick an. Vertrautes Gefühl, wie bei allen Airbus FBW Flugzeugen, vor 14 Jahren hatte ich erstmalig das Vergnügen, nur die Flight Control Page ist neu. Line Up mit weniger Oversteering. Du sitzt direkt auf und nicht vor dem Nose Gear, meint Rainer.

Die neue Schubanzeige ist klasse. Zweimal 25% liegen an, wir rollen los, Flex 68. Das Gewitter ist noch weit weg, der Kleine aus Alpha 10 inzwischen auch. V1 meint Airbus, Rotate, meint Rainer. Ich ziehe und es knallt. Vor Schreck lasse ich in der Rotation nach. Das ist normal meint Rainer, ich ziehe weiter und auch das Main Gear hebt ab. Auch beim Einfahren des Fahrwerks rumpelt es gefühlt lauter als sonst. Joghurtbecher? Der Blick auf das Erdinger Moos ist wunderschön. Wieso habe ich Zeit dafür? Es fühlt sich so vertraut, so natürlich an. Die A350 fliegt schöner als erwartet. Clean ist sie ein Ranger, wiederholt Rainer.

Ich kann mich kaum von ihr trennen. Erst oberhalb von FL200 übergebe ich an AP1 und die Signs gehen auf Auto. Die Kabine ist schon ungeduldig. Wir steigen schnell auf FL380. Wie gefiled. Laut FMS ist der Optimum sogar 400. Was gilt? Wir beschäftigen uns ein wenig mit den vielen Möglichkeiten, die das FMS bietet, dann teilen wir die Pausen ein. Knapp 2h für jeden. Es ist Luxus, zu dritt nach Boston zu fliegen.

Timemarker, meint Airbus. Und Door Please! Das Checken der drei Kameras des CDSS im ECAM dauert lange, die FBs werden dabei ungeduldig, sind das nicht gewohnt. Und wenn man dann unlocked, dann fehlt das gewohnte Klackern des Relays – auf das kleine grüne Licht wird oft nicht geachtet. Zwei von unserer Kabinencrew, darunter die P2, fliegen genau wie Martin und ich zum ersten Mal die A350. Alles ist neu.

Mittlere Pause, schlafen ist auf diesem Tagflug nicht angesagt. Rundgang durchs Schiff. Das ist schon eng, klagt die P2. Sie wünscht sich die alte PWS zurück. Die Münchner Crew ist gut drauf. Schon komisch, dass man so nach hinten schaut, meint die 4LA während ihrer Wache. Auch das CCRC ist oben. Die Bereich vor der Einstiegstür ist durch Klapptüren geschützt, eine steht offen. Würde mir das CCRC gerne ansehen, ist aber leider schon besetzt. Nichts für Leute mit Klaustrophobie, meint der P1. Jetzt die eigene steile Treppe ins FCRC hoch. Rainer hat mich kurz eingewiesen. Licht steuerst Du über dieses kleine Touchpanel da. Man soll mit dem Kopf nach hinten liegen. Die O2 Maske hängt dann über den Füßen. Schön, dass da ein Feuerlöscher hängt, aber warum zwei Rauchschutzhauben? Und dann der ominöse Geräuschgenerator, wofür ist der da? Broadband Empfang ist gut, statt zu schlafen checke ich die Wetter an der Ostküste über eDesk. Kann man nun im FCRC unklingeln oder führt das zum berüchtigten CIDS Reset, der alle C-Class Sitze aufrichtet? Wir wecken über das Interphone und testen, wo man klopfen muss, damit das Cockpit weiß, dass man wach ist.

Wieder im Cockpit. Eisberge. Wir nähern uns der Goose Bay. Wow ist das ein großes Cockpit, meinte die Kollegin, die zum ersten Mal nach vorne kam. Rainer geht die Themenliste später mit uns in einem Cafe in der Summer Street durch, jetzt unterhalten wir uns über alles Mögliche. Die Zeit vergeht wie im Flug, von TAFFY geht’s nach AJJAY, nach 7h mit M0.85 kommt der Descent. Martin ist nicht wach zu kriegen, wir verlieren Zeit, ich bin auf einmal behind, der TOD liegt hinter uns und noch kein Briefing. In Boston ist die lange Bahn zu. Wir rechnen mt Delay, haben über 60 Minuten Extra dabei. Doch es geht schnell, am Horizont tauchen die Hochhäuser auf, Sicht von Pol zu Pol. Es geht jetzt sehr schnell, unable LAHSO, ein überraschend kurzer Vector, Autopilot Off, Decend 2000, wir intercepten das ILS 15R on oben. BTV blue – DRY-Set. Im SIM machten uns die PIOs in der Pitch zu schaffen, jetzt sind es eher laterale PIOs um den Localizer. In 1000 Fuß established, eine überraschend weiche Landung, idle Reverse, BTV lässt es laufen, erst kurz vor Golf packt er zu, bei 15 kt disconnecte ich BTV mit dem Auto Throttle Disconnect Button, was wirklich schöner ist, als über die Fußbremse. Wir rollen zu E10. Parkbremse. OEB #5, OEB #5, OEB #5. Siegerfoto. Ein schöner Flieger. Danke!




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